Mit Sensordaten und mobilem Calciummessgerät eröffnet sich die Möglichkeit, direkt im Stall und an der Kuh abschätzen zu können, ob subklinisches Milchfieber eine Rolle spielt oder nicht. Wie im letzten Artikel angedeutet, habe ich mir im September und Oktober 2022 bei vielen Kühen die Temperaturverläufe rund um die Kalbung angesehen und regelmäßig die Werte des ionisierten Calciums im Blut gemessen. Es ist nicht so, dass man sich vollkommen auf das Absinken der Temperaturkurve verlassen kann, aber hinreichend genau um als Indikator zu taugen.
Im ersten Moment hat es mich erschreckt, dass trotz der Fütterung von sauren Salzen subklinisches Milchfieber immer noch eine nicht unbedeutende Rolle spielt und weil mir dies keine Ruhe gelassen hat, habe ich mich ein wenig mit neueren Artikeln zum Thema beschäftigt, um zu überprüfen, was wir falsch machen und wie es besser werden kann.
Etwas beruhigt hat mich, dass die Fütterung einer Diät mit negativem DCAB die Inzidenz des Festliegens fast auf null reduziert, aber die Inzidenz des Subklinischen Milchfiebers zwar deutlich reduziert wird (so in etwa um 30 %), aber eben nicht auf null geht (Martinez et al 2018, Horst et.al 2021).
In unserer Herde sinkt bei etwa einem Drittel der Herde die Temperatur rund um den Kalbezeitpunkt deutlich ab, um dann in Regel nach wenigen Stunden wieder den Ausgangswert zu erreichen. Und an dieser Stelle finde ich jetzt die Aussagen von Neves et al, 2018 spannend. Es ist einfach total wichtig, zu welchem Zeitpunkt nach der Geburt man den Calciumwert bestimmt. Neben der Normocalcämie (NC) wird unterschieden in eine transiente Hypocalcämie (tSCH), eine persistierende Hypocalcämie (pSCH) und eine verzögerte (delayed) Hypocalcämie (dSCH). Und die tSCH, die bei uns anscheinend eine große Rolle spielt, sehen die Autoren als physiologischen Ausdruck des plötzlichen Ca-Defizites, die schnelle Rückkehr in den Bereich der NC als Zeichen einer guten Anpassung. In den zu Grunde liegenden Studien sind die Kühe mit einer tSCH Hochleistungstiere, die in den ersten Wochen signifikant mehr Milch gegeben haben als alle anderen, also auch mehr Milch als die NC Tiere. Bei diesen Tieren muss man also eher aufpassen, dass sie am fressen bleiben, um nicht irgendwann in eine Ketose zu rutschen. Schwierig in Hinblick auf Folgekrankheiten sind die Tiere, die sich nicht wieder erholen oder erst verzögert in eine Hypocalcämie rutschen, hier gehen die Krankheitsinzidenzen hoch und die Milchleistung leidet und das besonders bei Mehrkalbskühen.
Nur wie weiß ich in den Stunden nach der Geburt, ob die frischgekalbte Kuh nur kurz runterrauscht oder eben unten bleibt? Ich habe mir für die Tiere unserer Herde, die im Oktober gekalbt haben, die Folgekrankheiten angeschaut, also NGV, Metritis, Labmagenverlagerungen, Mastitis. Das Ganze nicht wissenschaftlich korrekt statistisch ausgewertet, sondern wirklich nur drüber geschaut. Und kurz zusammengefasst gibt es beim zweiten Kalb kaum Probleme, danach wird es häufiger. Also nichts Überraschendes. Und überraschend ist auch nicht, dass Kühe, die krank werden, oft schon vor der Geburt schlecht gefressen haben ( um dies mitzubekommen sind Sensoren wieder sehr hilfreich) oder durch schwere Kalbungen bzw. Zwillingsgeburten leiden – wir haben einen hohen Anteil an Besamungen mit Mastrassen und dies auf Grund der Zuchtwerte eher bei älteren Kühen, die aber mit jedem Jahr ohnehin anfälliger werden. Und bei Zwillingen bleibt oft die Nachgeburt hängen, ohne sichtbaren Zusammenhang mit der Calciumversorgung.
Spannend fand ich die älteste kalbende Kuh im Oktober. Beim Start in die siebente Laktation kein Temperaturausschlag, gemessene Werte alle im Normalbereich, keine vorbeugenden Calciumgaben, immer gut gefressen, nicht krank gewesen.
Was mache ich jetzt also mit dem subklinischen Milchfieber? Ich denke, die sauren Salze bleiben erst einmal so, wie sie sind. Aber trotzdem muss die Futteraufnahme im Close-up Bereich noch ein bisschen hoch. Und nach der Kalbung kann man alle Kühe in Ruhe lassen, deren Temperaturkurve wieder oben ist, die warm sind und gut fressen. Ich finde, da stört prophylaktisches Calcium nur. Die Aufmerksamkeit brauchen die Kühe, die schlecht fressen. Und die werden mehr brauchen als Calcium. Es gibt da diesen Artikel von Horst et al, 2021, der unten schon aufgeführt ist und den ich total spannend finde und auf den ich bestimmt noch einmal zurückkomme.
Jetzt lese ich aber erst einmal nach, wie ich die Closeup Ration schmackhafter hinbekomme……
Literatur:
Horst, E.A., S.K.Kvidera, L.H.Baumgard, 2021. Invited review: The influence of immune activation on transition cow health and performance – A critical evaluation of traditional dogmas. J.Dairy Sci. 104: 8380-8410
Martinez, N., R.M.Rodney, E.Block, L.L.Hernandez, C.D.Nelson, I.J.Lean, J.E.P.Santos, 2018, Effects of prepartum dietary cation-anion difference and source of vitamin D in dairy cows: Health and reproductive responses. J.Dairy sci. 101: 2563-2578
Neves, R.C., B.M.Leno, K.D.Bach and J.A.A. McArt. 2018. Epidemiology of subclinical hypocalcemia in early-lactation Holstein dairy cows: The temporal associations of plasma calcium concentration in the first 4 days in milk with disease and milk production. J. Dairy Sci. 101:9321-9331
McArt, J.A.A., R.C.Neves. 2020. Association of transient, persistent, or delayed subclinical hypocalcemia with early lactation disease, removal, and milk yield in Holstein cows. J. Dairy Sci.103:690-701